II. Der dogmatische Inhalt

1. In der christlichen Kultur wird die Gesamtheit der Doktrinen, die sich mit den grundlegenden religiösen Werten befassen, mit dem Begriff Theologie bezeichnet, weil sich alles auf das Wissen über Gott und seinen Willen bezieht. Doch hier wird das Wort „Theologie“ durch den Begriff „Scientology“ ersetzt. Anstatt das Studium (-logie) von Gott (Theo-) zu sein, ist es das Studium (-logy) des Wissens (Sciento-). In beiden Fällen strebt man mit diesem Wissen jedoch Absolutheit an; tatsächlich ist dieses „Wissen“ absolut. Obwohl es Studium und Anwendung zu verlangen scheint, ist es spirituell und transzendiert das empirische Wissen über das physikalische Universum, auch wenn man annimmt, dass es dort eingreifen kann.

Der dogmatische Inhalt der Scientology gründet sich auf die Tendenz, nach innen zu schauen. Dies ist auch bei der christlichen Erforschung von „Gott in dir selbst“ anzutreffen, was typisch für mystische Rebellionen ist. Eine Aussage der Scientology Kirche – die in ihrer Gründungsurkunde in Kalifornien zum Ausdruck kommt – lautet: „Der beste Beweis für Gottes Existenz besteht in jenem Gott, den der Mensch in sich selbst findet.“ Aber das explizite und implizite Modell für die nach innen gerichtete Suche der Scientology ist der Prozess der vedischen Religion, der mit der Meditation über die Upanischaden begann.

Das Modell der Upanischaden ist auf folgende Weise entworfen: Die Substanz des Universums, Brahma, identifiziert sich selbst mit der Substanz des Menschen, Atman; und so kann der Mensch das Universum durch die Anerkennung seines eigenen Atman kontaktieren, ohne sich an die Götter zu wenden, die, wie in jeder polytheistischen Religion, das Universum selbst in seinen verschiedenen Formen und Aspekten sind. In der Scientology stoßen wir auf den Thetan anstelle des Atman, und dieser hat die Funktion einer „unveränderlichen Essenz“, die jede eventuelle Form transzendiert.

Die Vorstellung vom Thetan ist für den scientologischen Glauben genauso wesentlich, wie es die Vorstellung von der Seele für den christlichen Glauben ist.

2. Die Vorstellung vom Thetan ist für den scientologischen Glauben genauso wesentlich, wie es die Vorstellung von der Seele für den christlichen Glauben ist. Weil es jedoch notwendig war, den Begriff eines Thetan vom Begriff der Seele zu unterscheiden, schuf Scientology das neues Wort Thetan, da es für eine neue Religion eher passte.

Das neue Wort erfüllt zwei entgegengesetzte Erfordernisse: 1) etwas völlig Erneuertes zu erreichen, frei von aller Semantik; daher die Verwendung eines nicht existierenden Wortes, ohne Bedeutung in irgendeiner existierenden Sprache; 2) die Willkürlichkeit dieses erfundenen Wortes zu begrenzen, damit es nicht ohne Bedeutung wäre, selbst wenn es keine Bedeutung in den existierenden Sprachen besitzen würde. Zusammengefasst war die Erfordernis an das neue Wort dergestalt, irgendwelchen erfundenen Definitionen keinen Raum zu bieten. Die Wahl fiel auf den griechischen Buchstaben Theta, der für sich selbst genommen keine Bedeutung besitzt. Er ist auch der erste Buchstabe von Theos (Gott) und von Thymos (Seele) und wurde als Grundlage für ein Wort ausgewählt, das dem indischen Atman vom Laut her ähnelt.

Die morphologische Verbindung zwischen Atman und Thetan, die wir objektiv betrachtet so einschätzen, dass sich der zweite Begriff vom ersten ableitet, wird stattdessen in der Scientology als eine indische Vorwegnahme des Hubbardschen Begriffes betrachtet; wir können daher in den Büchern von Scientology Folgendes finden: „Das Ewige Unzerstörbare Selbst (Atman) in den Upanischaden ist eine frühzeitige Vorwegnahme des scientologischen Begriffes Thetan.“

3. Die Scientology folgt dem Modell der Upanischaden, mit dem Ziel, durch einen Blick ins Innere die korrekte Beziehung zwischen dem Selbst und dem Universum zu finden: „Nach und nach, während der Thetan in seinem Wissen über sich selbst voranschreitet, wächst seine Fähigkeit, eine Beziehung zwischen sich und den universellen Kräften (Dynamiken) herzustellen, welche auf der Ebene des Werdens agieren (im Gegensatz zur Ebene des Seins, wo der Thetan erkennbar wird).“

Es gibt acht Dynamiken. Sie sind der Überlebensdrang des Individuums als es selbst; durch Sexualität und Familie; die Gruppe (die von einer Gemeinde bis hin zu einer ganzen Nationalität reicht); die Menschheit; Lebensformen (einschließlich der Tiere und Pflanzen); das physikalische Universum; das spirituelle Universum bzw. das geistige Wesen, symbolisiert durch den Buchstaben Theta wie im Wort Thetan; und das Höchste Wesen.

4. Die Beziehung zwischen dem Thetan und den acht Dynamiken hat psychosomatische, ethische, parawissenschaftliche und rituelle Auswirkungen: In den Begriffen der Scientology ausgedrückt wird diese Beziehung als die Reduzierung des Chaos zu einer geordneten Wirklichkeit verstanden, die durch den Thetan errichtet wird. All das lässt sich in Form von historisch-religiösen Begriffen verstehen. Dabei stößt man auf die typische Funktion jeder Religion, nämlich den geschichtlichen Realitäten eine metahistorische Bedeutung zu geben. Hier, wie anderswo, besteht das Ziel darin, mit dem metahistorischen „Sein“ das chaotische historische „Werden“ zu überwinden, also die Geschichte an sich – ersichtlich als persönliche Geschichte, nationale Geschichte, Menschheitsgeschichte, Naturgeschichte, übernatürliche Geschichte (die Erschaffung der Welt, die Handlungen des Schöpfers, sein Eingriff in das Geschaffene). Alle diese „Geschichten“ bringen den Einzelnen, der nicht weiß, wie er sich orientieren soll (und wie er diese Geschichten ausrichten soll), in die Falle und zerstören ihn, weil der Thetan das Bewusstsein über sich selbst verloren hat. Hat der Thetan jedoch sein volles Bewusstsein erlangt, dann hat alles wieder seine Ordnung, mit folgenden Auswirkungen:

Psychosomatische Auswirkungen: Der Thetan führt sehr schnell geistige und physische Gesundheit herbei und lenkt die Aktionen von Körper und Psyche in die bestmögliche Richtung.

Ethische Auswirkungen: Der Thetan regelt Familienbeziehungen und ebenso soziale und allgemeine menschliche Beziehungen.

Wissenschaftliche Auswirkungen: Der Thetan bringt Licht in alle Gebiete wissenschaftlicher und technologischer Forschung. Neben technischen und wissenschaftlichen Werken begünstigt er auch künstlerisches und schriftstellerisches Schaffen. L. Ron Hubbard, der Lehrer, wird gleichermaßen als Schriftsteller wie als Wissenschaftler gepriesen, mit besonderen Talenten in der Seefahrtskunde, Photographie, Musik, Mineralogie, Agronomie und im Hinblick auf Kommunikationssystemen.

Von diesem Gesichtspunkt aus können wir sehen, wie sich die Parallele zu den Upanischaden bis ins Extrem auswirkt: Der Tantrismus, das letztendliche Produkt dieser religiösen Evolution, verspricht Kräfte, die wir, wenn wir sie auf diese Zeit und Umgebung beziehen, als „magisch“ bezeichnen würden. Und die Scientology verspricht Kräfte, die wir als literarisch-künstlerisch, wissenschaftlich oder technologisch bezeichnen. In beiden Fällen kann jedoch von der mystischen Öffnung der Welt für einen Eingriff durch das Wesen gesprochen werden, das in sich selbst die mystische Fähigkeit zum Eingreifen entdeckt hat.

III. Rituelle Praxis
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